Mohajerat von Mohsen Rezai & Anders Lang (Musik)

Übersetzung des Textes von “Mohajerat”

Alle wollen meine Geschichte hören.
Aber ich bin kein Geschichtenerzähler.
Meine Geschichte ist deine Geschichte.
Sie ist nicht kompliziert, ganz einfach.
Doch ich kann sie nicht erzählen.
Stattdessen läuft mein Stift auf dem Papier.
Und erzählt von der Geschichte der Flüchtlinge.
Von der Wahrheit, die uns trennt von Märchen.
Wer hat uns das Leben schwer gemacht?
Woher kommt der Schmerz in unseren Herzen?
Wir haben uns auf den Weg gemacht, um einen Schritt voran zu kommen,
viele Hürden überwunden, doch am Ende sind wir wieder am Anfang.
Mein Schmerz ist keine Krankheit – kein Krebs oder Tumor.
Nur mein Schicksal ist krank.
Meine Krankheit ist, dass ich nirgendwo zu Hause bin.
Nicht in meiner Heimat und in keinem anderen Land habe ich eine Identität.
Es gibt viele Menschen, die versuchen, immer Erfolg zu haben.
Doch wo bleibt mein Erfolg?
Hat jemand Schuld?
Vielleicht ist niemand schuldig, doch ist die Welt eine Katastrophe.
Es ist eine Frage, auf die ich keine Antwort finde.
Vielleicht gibt es eine Antwort und ich habe keine Ahnung.
Ich kann nicht glauben, dass ich schuldig bin.
Sieh dir Afghanistan an.
Niemand hatte Schuld, als wir versuchten, Afghanistan wieder aufzubauen.
Doch vielleicht hat jemand Schuld, der mich in der Dunkelheit geschlagen hat.
Oder die Politiker, die nichts für Afghanistan getan, die unser Geld geklaut haben.
Haben nicht die Schuld, die sich im Namen des Islam bereichert, den Rassismus geschürt und die armen Leute zum Schlafen auf die Straße geschickt haben?
Das Volk hat keine Schuld.
Ist Kopftuch und Bart ein Vorwand oder nicht?
Wenn du über all das nachdenkst, kommen 1000 weitere Fragen.
Dann siehst du, dass alle Schuld haben.
Aber was ist mit uns? Wer sind wir?
Die Taliban, die USA und die Politiker haben sich schuldig gemacht.
Und wir, die Vögel, die Weggeflogenen?
Was erwarten wir von anderen, wenn wir selber die Schlimmsten sind.
Vielleicht haben wir Schuld, weil wir unsere Heimat verlassen haben.
Wir Flüchtlinge, die Angst hatten.
Angst davor Brot zu klauen, Angst vor Krieg, Angst, weiter zu leben.
Die Flüchtlinge, die keine Lust hatten, den nächsten Tag zu überleben.
Und am nächsten Tag die kleine kranke Schwester pflegen zu müssen.
Die Flüchtlinge, die illegal über Grenzen gegangen sind.
Es nicht wollten, aber mussten.
Die Flüchtlinge, die in den Iran gegangen sind.
In ein Leben mit Drogen und Sucht.
Die Flüchtlinge, die viele Träume hatten.
Was sollten sie tun, um ihre Träume zu erfüllen?
Die, die nicht einmal eine Schule besuchen durften.
Die Flüchtlinge, die zu Leuten kamen mit gleicher Sprache und Religion.
Die selben Leute haben ihnen die Klamotten geklaut.
Kein Dach im Winter und es war kalt.
Gott sei Dank gab es kein Feuer und keine Bomben mehr.
Ein Kind, es war elf Jahre alt, kannte niemanden.
Suchte einen Platz zum Schlafen und bat um Hilfe.
Aber die Menschen waren wie Wölfe.
In diesen Land bist du ein Niemand.
Überall Rassisten. Du darfst nicht zur Schule gehen oder arbeiten.
Du darfst nicht einmal eine Simkarte kaufen.
Ein Scheißleben; lieber sterben, als dort zu bleiben…
Weiter nach Europa – zu Fuß über Berge und Grenzen.
Europa war noch weit weg, doch die Aussicht war stark.
Die Hoffnung auf ein Paradies.
Für die Flüchtlinge, die nach Europa gekommen sind oder auf dem Weg gestorben sind.
Lieber sterben, als hier zu bleiben…
Mit all den Problemen und keiner Zukunft.
Ich bin Moslem und habe 1000 schlimme Dinge hinter mir.
Die Aussicht aus der Ferne war geiler, als das, was wir jetzt sehen.
Es ist nur ein Teil davon.
Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.
Ich weiß nur, ich bin Moslem und kein Terrorist.
Ganz allein, ohne Eltern.
Was wird morgen passieren?
Das Bild meiner Träume hat sich nicht erfüllt.
Warum sind wir weg gelaufen?
Was hat sich verändert?
Was erwarten wir von den anderen?
Nicht einmal sicher, ob wir schuldig sind.
Wollen wir zurück nach Afghanistan?
Nach dem wir im Ausland groß geworden sind.
Das war nicht meine Geschichte.
Sondern der Stift, der auf dem Papier gelaufen ist.
Punkt. Wieder auf Anfang.